Systemische Aufstellungen in Projekten
– eine Methode zum Auffinden von Lösungswegen
Wenn es nur eine Wahrheit gäbe, könnte man nicht hundert Bilder über dasselbe Thema malen. (Pablo Picasso)
Flache Hierarchien, Matrix-Organisationen, Projektteams lösen verstärkt die traditionelle Linien-Organisation in den Unternehmen ab. Bessere Zusammenarbeit, einfacher Kommunikations- und Entscheidungswege sollen damit verbunden sein. Die unterschiedliche disziplinäre und fachliche Verantwortung der Führungskräfte und Projektleiter bietet neue Herausforderungen und Konfliktpotential.
In Systemischen Aufstellung zeigen sich die unausgesprochenen und unbewussten Dynamiken in Projekten, in Teams, die über Erfolg oder Misserfolg entscheiden.
An einem konkreten Beispiel lässt sich die Wirkungsweise dieser Methode einfach
darstellen:
Ein Projektleiter, direkt dem Vorstand eines Kreditinstitutes unterstellt, steht kurz vor Projektabschluss. Seit einigen Wochen nimmt er einen Stillstand im Projekt und einen deutlichen Widerstand seines Teams wahr. Seine wirtschaftliche Existenz ist von Folgeprojekten, die bereits mit dem Vorstand besprochen wurden, abhängig. Nun fürchtet er um diesen Folgeauftrag.
Die Aufstellung
Gemeinsam mit dem Projektleiter werden die wichtigsten Elemente bzw. Personen in diesem Projekt benannt: Vier Vorstände, das Projektteam, das Projekt, der erfolgreiche Abschluss, die weiteren Mitarbeiter des Instituts. Der Projektleiter wählt nun aus den anwesenden Personen, die weder den Projektleiter noch das Unternehmen kennen, die entsprechenden Stellvertreter (Repräsentanten) für die Aufstellung aus und stellt diese im Raum auf und setzt sich.
Erstes Bild
Es zeigt sich, dass VORSTÄNDE miteinander beschäftigt sind und nur V2 Blickkontakt zum PROJEKT und zum FOKUS (Projektleiter) hat. Alle sagen aus, dass sie kaum Interesse hätten. TEAM hat PROJEKT den Rücken zugewandt und ist auf MITARBEITER ausgerichtet. PROJEKT fühlt sich neben FOKUS sehr wohl und hat auch Blickkontakt zu VORSTAND und zu ERFOLGREICHEN ABSCHLUSS. FOKUS ist irritiert. Er sieht zu VORSTÄNDEN, jedoch nur V2 blickt ihn an und dies
ist eher unangenehm für FOKUS. TEAM und MITARBEITER nimmt er überhaupt nicht wahr, wenn er zu ERFOLGREICHEN ABSCHLUSS sieht, hat er ein flaues Gefühl in der Magengegend.
Die Aufstellungsleitung nimmt folgende Umstellungen zum zweiten Bild vor:
Zweites Bild
Im zweiten Bild sehen VORSTÄNDE das PROJEKT, FOKUS, TEAM und MITARBEITER sehr gut. Sie vertrauen FOKUS und sind am Endergebnis interessiert, nicht an Details. FOKUS fühlt sich gleich wohler, er hat den Blick zum VORSTAND, zum TEAM frei, er fühlt sich jetzt als „Mittelsmann“. ERFOLGREICHE ABSCHLUSS fühlt sich noch etwas unbeteiligt und würde gerne seine Position verändern. MITARBEITER sind mit PROJEKT noch nicht so vertraut, fühlen sich aber in der Nähe von TEAM und des FOKUS wohl. Generell ist eine starke Erleichterung der Anspannung zu verspüren.
Die Aufstellungsleitung nimmt weitere Interventionen vor und es entsteht folgendes Schlussbild:
Schlussbild
ERFOLGREICHE ABSCHLUSS fühlt sich neben PROJEKT am wohlsten. Sofort nach dem Platzwechsel hört man ein erleichterndes Seufzen von FOKUS, TEAM und MITARBEITER. VORSTAND ist ebenfalls wieder mehr interessiert und wünscht sich, dass FOKUS mehr ins „Zentrum des Geschehens“ rückt. FOKUS fühlt nach dem Platzwechsel eine deutliche Verbesserung seiner Position, er fühlt sich gestärkt, es ist ihm sehr angenehm, dass VORSTAND hinter ihm steht. Seine Sicht auf PROJEKT und ERFOLGREICHEM ABSCHLUSS ist sehr freundlich und er fühlt eine angenehme Aufregung. Seine Bedenken betreffend dem Folgeauftrag sind abgefallen. Die Aufstellung endet mit dem Schlusswort vom FOKUS: „Ich weiß, dass ich einen guten Job mache und dass das Projekt ein Erfolg wird!“ Alle nicken.
Gleich nach der Aufstellung erfahren wir noch einige Details vom Projektleiter:
Die Sitzordnung der Vorstände in den Meetings entspricht dem Bild in der Aufstellung. V2 hat den Projektleiter beauftragt, daher der intensivere Kontakt. Generell seien die Wortmeldungen und die Stimmung des Unternehmens in der Aufstellung identisch abgebildet worden.
Was hat die Aufstellung gebracht?
Der Projektleiter (hatte seinen Sitzplatz als Zuseher außerhalb der Aufstellung) fühlte sich schon während der zweiten Phase der Aufstellung erleichtert. Nach der Aufstellung fühlte er sich in seiner Arbeit bestätigt und anerkannt. Einige Wochen später berichtete der Projektleiter, dass der Widerstand völlig verschwunden sei, dass er klare Anweisungen und Ziele mit dem Projektteam aufgrund der Aussagen in der Aufstellung ausgearbeitet hätte. Ein Termin mit dem Vorstand betreffend des Folgeprojekte war auf Wunsch des Vorstandes bereits vereinbart worden.
Die Methode
Organisationen sind komplexe Systeme. Das Zusammenwirken der Einflüsse der einzelnen Elemente (z. B. Abteilungen,
Teams, Mitarbeiter) ist nur schwer in seiner Gesamtheit zu erfassen. Systemische Strukturaufstellungen bringen in kurzer Zeit maximalen Erkenntnisgewinn. Sie spart Zeit und Geld, es können konkrete Handlungsalternativen getestet und mehrere Lösungen erarbeitet werden.
Welche Themen / Fragestellungen können bearbeitet werden?
- Beziehungsverhältnisse im System (Organisation, Team,..) klären
- Erkennen von Störungen im System
- Ziele setzen – Ziele erreichen
- Lösungen prüfen – richtig entscheiden
- Führungsstil überprüfen – Alternativen entwickeln
- Konfliktmanagement
- Nachfolge klären
- Personalentscheidungen
- Marketing-Entscheidungen (richtiges Produkt, richtige Zielgruppe)
Wie funktioniert diese Methode?
Diese Methode ist kein Rollenspiel wie beim (Unternehmens-) Theater. In Systemen, die aus Menschen bestehen, gibt es eine unausgesprochene Ebene. Systemische Strukturaufstellungsarbeit ermöglicht auf phänomenologische Weise
Einblick in das, was Systeme verbindet und zusammenhält. Die Repräsentanten spüren sich – ohne detaillierte Informationen vom Kunden – in die ihnen zugeteilte Position hinein. Unbewusstes kommt beim Aufstellen ans Licht – die Wirklichkeit zeigt sich neu und andere, neue, kraftvolle Lösungen können gefunden werden.
Wann ist der richtige Zeitpunkt?
Je höher der Leidensdruck und desto dringlicher eine Veränderung erreicht werden soll, umso sinnvoller und wirkungsvoller ist eine Systemische Strukturaufstellung. Aufstellungen machen Sinn in verfahrenen Situationen mit dem Ziel, nach Lösungen zu suchen, oder vor wichtigen Entscheidungen, um potentielle Auswirkungen und Konsequenzen besser einschätzen zu können.
Was können Systemische Aufstellungen in Projekten leisten?
- Sie erfassen auch „inoffizielle“ (unbewusste) Aspekte und bieten einen ganzheitlichen Zugang.
- Sie fokussieren klar. Wesentliches wird erkennbar.
- Sie ist erlebbar und die damit verbundene emotionale Betroffenheit erhöht die Chancen für die Weiterentwicklung.
In welcher Form können Aufstellungen ins Projektmanagement einfließen?
- Externe Beratungsleistung bei Projektstart
- Externe Beratungsleistung bei Störungen im Projektablauf, -fortschritt
- Externe Beratungsleistung bei Widerstand (im Team, Organisation, Kunden, etc.)
Über die Methode der Systemischen Aufstellungsarbeit sind bereits viele Bücher und Schriften verfasst worden. Ich empfehle jedoch allen Interessierten diese Methode persönlich kennen zu lernen, als Zuseher, als Repräsentant oder als Kunde.
Eine Gelegenheit bietet sich am 16. September 2004 bei der Projekt-Management-Veranstaltung pma focus 2004 im Museumsquartier in Wien. Ich freue mich, Sie dort als Vortragende und Aufstellungsleiterin zum Thema Projektmanagement begrüßen zu dürfen.
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