Wenn wir eine Situation nicht ändern können, müssen wir uns selbst ändern.
Viktor E. Frankl
Ich wollte niemals über die Covid-19 Pandemie einen Text schreiben. Wozu auch? Die Medien bringen seit mehr als einem Jahr in Dauerschleife die aktuellen Meldungen über Infektionszahlen und Risikogebiete, Testmöglichkeiten und -ergebnisse und seit Jahresbeginn auch die Zahlen der bereits verimpften Dosen und die tägliche Prognose, wie lange wir noch auf die sogenannte „Herdenimmunität“ und die damit verbundenen Öffnungsschritte warten müssen.
Ein Virus als Change-Agent?
Das ist eine Frage, die mich als Coach interessiert.
Veränderungen benötigen einen gewissen Veränderungsdruck und je höher der persönliche Leidensdruck, um so größer der Wille zur Veränderung – oder zumindest kommt uns der Satz in den Sinn: „So kann es nicht weitergehen!“ So starten die meisten Coachingprozesse meiner Kunden. Seit März 2020 sind wir jedoch alle unfreiwillig auf Veränderungsreise – jeder für sich und dennoch gemeinsam. Was passiert hier?
Phase 1 – Restriction
Wir hatten sie bald und haben sie noch immer mehr oder weniger satt: die Beschränkungen im sozialen Umgang mit Familie, Freunden und im Job und die räumliche Begrenzung während der Lock Downs. Alle Einschränkungen sind ein Angriff auf unsere persönliche Freiheit.
Gleichzeitig stellten und stellen wir überrascht fest, wie mit wenigen Dingen der Alltag gestaltet werden kann, welche Menschen wahre Freunde sind und wohin wir nicht mehr hetzen müssen.
Verzicht hat ein neues Label: Minimalismus und die überleitende Frage zu Phase 2 lautet, macht uns ein mehr von allem glücklicher und frei?
Phase 2 – Reflection
Die Einschränkungen und Lock Down Phasen bringen für jeden von uns sehr viel ablenkungsfreie Zeit mit sich. Ohne Zerstreuung zurückgeworfen auf uns selbst und unsere persönliche Situation, zwingt sich uns ein Nachdenken auf. Die Reflexionsphase beginnt und alle Versuche, zuerst den jeweils anderen zu verändern, scheitern naturgemäß auch während Corona. Oder wie Felix Gottwald es formuliert hat:
„Veränderung beginnt immer bei einem selbst, und zwar heute.“
Und so erfuhren und erfahren unsere Lebensstile und Lebensziele, Partnerschaften und Jobsituationen eine individuelle Neubewertung und Neuausrichtung.
Phase 3 – Reset
Die Zeit vor Corona ist Geschichte!
Eine Rückkehr zu einem „Weitermachen wie vorher“ ist selbst für die Hoffnungsvollsten unter uns unrealistisch. Corona legte uns den Finger auf den Reset-Button.
Der Reset-Button ist in der Technik ein Sicherungsschalter, der als Circuit Breaker bei Überlastung fungiert. Ist die Überlastung überstanden, startet das System neu.
Auch wir werden wieder neu starten, neu beginnen mit der Erfahrung, die uns diese Pandemie gelehrt hat: Sicherheit ist eine Illusion. Wir sind als Menschen verletzlicher als wir es wahrhaben wollen, unsere Systeme – Ökologie, Ökonomie, Medizin, Gesellschaft – sind im kleinen wie im großen bei Belastung höchst fragil.
In Science Fiction Filmen ist es meist eine nukleare Katastrophe, die die Menschheit in Finsternis oder in futuristische Lösungen zwingt. Ich will Corona hier nicht den roten Teppich ausrollen und ich habe Respekt vor und Mitgefühl mit all jenen, die durch diesen Virus in Not geraten sind und Leid erfahren mussten.
Ich bin aber auch zuversichtlich, dass zukünftige Generationen diese Zeit als Ausgangspunkt für einen Wandel bezeichnen werden, einem Wandel zu der besten aller möglichen Welten. Es liegt an uns, jedem Einzelnen von uns!
Alle Ereignisse in dieser besten aller möglichen Welten stehen in notwendiger Verkettung miteinander.
Voltaire, 1694 – 1778, Candide oder Die beste der Welten, Kap. 30